In der Hand des Knaben die Zügel by Walter Foelske
Deutsch | ISBN: N/A | ASIN: B009HURQ0G | 376 pages | EPUB | December 21, 2013 | 0.33 Mb
Deutsch | ISBN: N/A | ASIN: B009HURQ0G | 376 pages | EPUB | December 21, 2013 | 0.33 Mb
Nach Durchsicht der 28 teils ganz kurzen, teils sehr langen Erzählungen von Walter Foelske, gesammelt aus mehreren Jahrzehnten (dazu auch einige brandneue, extra für diese Veröffentlichung zusätzlich verfaßte), nachdem ich all diese Texte hintereinander gelesen habe, bin ich davon total gebannt, beeindruckt und begeistert. Mein Gefühl und Verstand sagen mir: dies ist ein Geschenk an all diejenigen, die empfinden wie die Protagonisten in diesen Geschichten. Es gibt wenig gute Literatur auf diesem Gebiet, hier ist sie! Foelske ist ein zutiefst Eingeweihter, er weiß, wovon er spricht. Er erschafft die Innenschau einer Gefühlswelt, über die sonst kaum einer Bescheid weiß, oft nicht einmal die Betroffenen selbst. Dieses Buch ist, um es vorweg zu sagen, ein schonungsloses, darum um so glaubwürdigeres, weil zutiefst ehrliches, das nichts glättet oder verharmlost. Es greift auch Heikelstes auf, variiert und durchleuchtet es, legt Verschwiegenes und Verstecktes bloß. HEUTE HAT DEN GANZEN TAG DIE SONNE GESCHIENEN ist der Titel einer kleinen Geschichte. Der Ich-Erzähler, ein depressiver Einzelgänger, geht in ein sogenanntes Krüppelheim, in dem eine Aufführung vom städtischen Schauspiel geboten wird. Doch das ist eigentlich unbedeutend. Von Belang ist vielmehr, daß er, beim Warten auf den Vorstellungsbeginn, behinderten Jungen beim Billardspiel zuschaut, die fanatisch für die nächste Jugendmeisterschaft üben. Zuletzt ist ihm, als hätte heute den ganzen Tag die Sonne geschienen: denn Sonne, Wärme, Helligkeit, Geborgenheit sind ihm diese behinderten Jungen, denen seine ganze Zuneigung gehört und die seinen Beschützerinstinkt wecken. Foelske breitet in diesem Buch sein Können auf den verschiedensten Ebenen aus. Er beherrscht das Drama, die Komödie, die Farce und versteht es auch, in epischer Breite zu erzählen. Für den, der zu lesen weiß, wird es nie langweilig: dicht sind die Texte gewebt, da gibt es keinen Durchhänger. Wer diesen Kosmos durchlesen hat, dem differenziert sich vieles, wovon er keinen Schimmer hatte. Ein solches Buch tut mehr für die Ausgegrenzten und von der öffentlichen Meinung Verdammten, mehr als all die Sonntagsreden über Humanität, Pseudoprojekte und Therapieangebote für die vermeintlich Kranken. Dieses Buch ist überfällig. Es scheut auch nicht vor Abgründen zurück, schon gar nicht vor krampfhaft Verschwiegenem und Gemiedenem. Es ist ein Insiderbuch von jemandem, der sich nicht darum schert, guten Eindruck auf andere zu machen, der sich nur einer Wahrheit verpflichtet fühlt, die er schnörkellos ausspricht. Es beginnt mit einem lichten knappen Text, der quasi freundlich einlädt in dieses später oft noch düstere Buch. Drei Knirpse besuchen einen Nachbarn, der eine Schaukel für die Kinder in dieser Siedlung spendiert hat, und wollen ihm zusätzlich noch ein Trampolin abschwatzen. Schon unter den drei kleinen Jungen, von denen der jüngste eine Hasenscharte hat, toben Machtkämpfe, schon die Achtjährigen sind ausgekochte Schlawiner, die auf ihre naive Art und Weise ihre Interessen durchsetzen. Hier wird nicht verniedlicht, sondern mit scharfen Strichen werden die Charaktere skizziert. Schon der nächste größere Text, DER TOTE LIEGT NEBENAN, ist eine Art Abgrund. Auch hier geht es um Nachbarschaftsbeziehungen. Wieder ein junger Mann, Einzelgänger, frisch geschieden, und als Gegenpart der pubertierende Junge in einer Familie im selben Haus, die in ihrer engen Wohnung unter akuter Raumnot leidet, nachdem sich polnische Verwandtschaft überfallartig bei ihr einquartiert hat. Der Mann bietet dem Jungen einen ruhigen Raum in seiner eigenen Wohnung, in dem er seine Schularbeiten machen kann. Tragische Verwicklungen bahnen sich an, unvorhergesehene Ereignisse überstürzen sich: wie das alles ineinandergreift bis zur abrupten Katastrophe, das ist atemberaubend…