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Der Dichter als Kommandant. D’Annunzio erobert Fiume

Posted By: insetes
Der Dichter als Kommandant. D’Annunzio erobert Fiume

Der Dichter als Kommandant. D’Annunzio erobert Fiume By Hans Ulrich Gumbrecht
1996 | 339 Pages | ISBN: 3770530195 | PDF | 62 MB


Am 19 September 1919 “annektierte” Gabriele D’Annunzio mit ca. 2500 desertierten Soldaten die dalmatinische Hafenstadt Fiume (kroatisch: Rijeka). Auf dramatische Weise griff “Der Dichter” damit in die Friedensverhandlungen in Paris ein, wo die Vertreter Italiens sich vergeblich bemühten, die Einhaltung der vor dem Krieg geschlossenen Geheimverträge zu erreichen, die Italien vor allem in Dalmatien territoriale Zugewinne zugesichert hatten. In Fiume aber begann ein schier endloses Fest. Ein Ausnahmezustand herrscht, der alles ergreift: den Krieg, die Politik, das Recht, die Herzen und die Sinne. Aber damit der Ausnahmezustand, von dem das Kommando des Dichters abhängt, aufrecht erhalten werden kann, darf das Fest nicht aufhören. So ist D’Annunzio in Fiume gezwungen, die großen politischen Formen und Themen des 20. Jahrhunderts zu erfinden: die Politik der Massenmobilisierung, die Verfolgung von “Völker-Rechten” jenseits des Völkerrechts, die Solidarität der unterdrückten Völker (“die dritte Welt”) und nicht zuletzt die Zerstörung des noch nicht einmal unter diesem Namen existierenden Staates Jugoslawien durch die Insurrektion nationalistischer Volksgruppen des Balkans. Beiträge von Spezialisten aus den Bereichen der Literatur-, Kultur- und Geschichtswissenschaft lassen im vorliegenden Band Fiume als den Kristallisationspunkt der Nachkriegsgeschichte par excellence erscheinen, in dem sich die Erfahrungen des Krieges und seiner Geschwindigkeits-Technologien (Flugzeug, Torpedoboot, Sturmtruppen), der Medien (Film) und der Kunst zu einer Politik der Mobilisierung und zu einer Mobilisierung der Politik verbinden. Das Buch leistet so erstens einen Beitrag zur Geschichte des Faschismus, in der Fiume sowohl die Rolle einer Alternative als auch die einer notwendigen Bedingung spielt. Insofern aber aus diskurs- und medienanalytischer Sicht Faschismus eine Funktion technischer Dispositive ist, die sich in Fiume überschneiden, erarbeitet das Buch zweitens die Grundlinien einer Archäologie des 20. Jahrhunderts. Den Beiträgen sind Dokumente zur Geschichte des Fiume-Abenteuers vorangestellt, die hier sämtlich zum ersten Mal in deutscher Sprache, zum Teil überhaupt erstmalig publiziert werden. Eine detaillierte Chronologie der Ereignisse von 1919 bis 1921 liefert den Lesern und Leserinnen eine hinreichende Kenntnis der historischen Daten.