Bedingt erinnerungsbereit Soldatengedenken in der Bundesrepubik By Manfred Hettling und Jörg Echternkamp (eds.)
2008 | 174 Pages | ISBN: 3525367562 | PDF | 17 MB
2008 | 174 Pages | ISBN: 3525367562 | PDF | 17 MB
Der Bau des Bundeswehr-Ehrenmals markiert einen bedeutsamen Einschnitt in der Gedenkkultur der Bundesrepublik. Erstmals seit 1945 wird die Erinnerung an den Tod des Soldaten wieder positiv gedeutet. Weil es nun um Soldaten einer demokratisch verfassten Gesellschaftsordnung geht, treten die staatliche Funktion des Militärs und die politische Legitimation militärischer Einsätze durch das Gemeinwesen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. In der Errichtung des Denkmals spiegelt sich deshalb nicht nur der in den 1990er Jahren einsetzende Wandel der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Einsatzarmee wider. Das Denkmal symbolisiert auch einen Bedeutungswandel im politischen Selbstverständnis der Bundesrepublik. Der Bruch mit dem weit ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Militarismus verband sich mit einer Konzentration der bundesdeutschen Gedenkkultur auf die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, wie die Formel seit den 1960er Jahren lautet. Sie ermöglichte sowohl die Würdigung der Opfer nationalsozialistischer Gewalt als auch die antitotalitäre Aufladung der Erinnerungspolitik im Kalten Krieg. Doch seit deutsche Soldaten auf der Grundlage parlamentarischer Entscheidungen in Auslandseinsätze geschickt werden, steht die Frage unübersehbar im Raum: Wie sollen jene, die dafür die politische Verantwortung tragen, der toten Soldaten gedenken? Wie soll sich die bundesdeutsche Gesellschaft an die Soldaten erinnern, die im Einsatz/ürdas politische Gemeinwesen ihr Leben verloren haben? Wie soll schließlich die Bundeswehr selber ihre ums Leben gekommenen Soldaten würdigen und ihr Andenken pflegen? Der Band nimmt diese aktuellen Probleme zum Ausgangspunkt. Vertreter der Geschichtswissenschaft, Soziologie und Theologie, der Architektur und Kunstgeschichte - darunter Mitarbeiter von Forschungs- und Bildungseinrichtungen der Bundeswehr - diskutieren am Beispiel der Errichtung des Ehrenmals die folgenden fünf Aspekte: 8 Vorwort 1. Welche Konflikte entstehen aus der Herausforderung, in einer »postheroischen Gesellschaft« neue politische Handlungsfelder mit neuen und ungewohnten Risiken gestalten zu wollen? 2. Welche historischen Traditionen des Gedenkens toter Soldaten wirken in der Bundesrepublik weiter - sei es als gesellschaftlicher Lernprozess, sei es als politische Belastung? 3. Welche religiösen Hilfsangebote gibt es für die Verarbeitungsprozesse und Deutungsleistungen? 4. Wie fügt sich das geplante Ehrenmal in die deutsche Denkmalslandschaft ein? Welche Formensprache greift es auf, welche Deutungsassoziationen löst es aus? 5. Weshalb ist in der bundesdeutschen Öffentlichkeit trotz der deutlichen Verschiebung des Verhältnisses von Militär und Gesellschaft über dieses zentrale Element von Staatlichkeit bislang nicht intensiv diskutiert worden?